Shopify für B2B eCommerce - Teil 2 von 2

von Pascal Nüesch am

Im Beitrag von letzter Woche “Shopify für B2B eCommerce? - Teil 1 von 2” wurde auf den Funktionsumfang sowie die eingeschlagene Richtung hinsichtlich B2B eCommerce von Shopify eingegangen. Für den aktuellen Teil 2/2 wurde angekündigt, dass wir nochmals eine Stufe tiefer gehen werden, was wir hiermit tun 😊.

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Wie in unseren Evaluationen für Kunden beleuchten wir Shopify in Bezug auf:

  1. Produkt-FIT funktionale Anforderungen (in einigen klassischen B2B-Schlüsselkriterien)
  2. Produkt-FIT nicht-funktionale Anforderungen
  3. Hersteller-FIT (nur kurz)
  4. Kosten-FIT (nur kurz)
  5. Kunden-Fit (als unser Gesamtfazit)

1. Produkt-FIT funktionale Anforderungen (in einigen klassischen B2B-Schlüsselkriterien)

Als klassische B2B-Schlüsselkriterien bezeichnen wir diejenigen Anforderungsblöcke, bei welchen die grossen Unterschiede zu den Systemen für B2C-Endkunden-Shops bestehen. Einige davon führen wir hier aus und beurteilen deren Erfüllung durch Shopify Plus:

  • Benutzer-Administration
    • Erfüllt: Zentrale Abbildung des Konstrukts mit Firmen, Standorten und Mitarbeitern
    • Einschränkungen: Gibt es aktuell im vorhandenen Frontend, wo noch nicht alle Funktionalitäten zum Managen der entsprechenden Konstrukten vorhanden sind. Hier liegt das Augenmerk auf dem in der Winter Edition 2024 angekündigten Trade-Theme, welches mit diesen spezifischen B2B-Anforderungen umgehen können sollte.
  • Produkt-Varianten inkl. Attributfilter
    • Erfüllt: Die in B2B häufig eingesetzte tabellarische Darstellung aller Varianten eines Basis-Produkts lässt sich via “Quick Order List” über den Theme Design Mode hinzufügen.
    • Erfüllt: Mit 3 Varianten-Attributen pro Produkt (mit je 100 Werten pro Attribut) ist es möglich, bis zu 2000 Varianten pro Produkt zu definieren und sollte somit für die meisten Einsatzgebiete reichen.
    • Einschränkung: Die von der Produktsuche bekannten dynamischen Attributs-Filter werden für die Varianten Filterung innerhalb der Produktdetailseite (PDP) aktuell nicht angeboten.
  • Preise (Standard, Kundenindividuell, Rabatte)
    • Erfüllt: Erfreulicherweise ist eine gewünschte Abbildung mit hoher Komplexität möglich: Preise pro Produkt, kundenindividuelle Preise über Kataloge (mit Anzeige des günstigsten Preises, sollten mehrere Kataloge für den Kunden greifen), Staffelpreise inkl. Sichtbarkeiten in der PDP und im Warenkorb, Discounts, Lieferkostenberechnung.
    • Einschränkungen: Preislogiken, welche sich über mehrere Produkte erstrecken, z.B. Staffelpreisen über Produktgruppen.
  • Bestand & Verfügbarkeit
    • Einschränkungen: Die klassische B2B-Echtzeitabfrage von Bestands- und Verfügbarkeitsinformationen ist aktuell mit Eigenentwicklung über die bestehende API oder mittels einer App möglich.
  • Bestellungen (Historie, Status)
    • Erfüllt: Eine übersichtliche Order History wird angeboten, ebenfalls mit guter Übersicht aller Informationen zur Bestellung auf der Order Detail Page.
    • Einschränkungen: Die oftmals in B2B-Cases geforderte Übersicht der Bestellungen aus allen Kanälen (ERP-basiert) erfordert Eigenentwicklung / eine App.
  • Favoriten & Bestelllisten
    • Einschränkungen: Der Funktionsumfang im Bereich von Produktlisten für Favoriten, gespeicherte Warenkörbe oder Replenishment List kommt so nicht von Shopify frei Haus.
  • Assisted Mode (Order on behalf)
    • Erfüllt: Über das Shopify Backend können komplette Bestellungen für den Kunden (als Draft) angelegt und dann beispielsweise final durch den Kunden abgeschlossen werden.
    • Einschränkung: Eine Frontend-Ansicht für den Support sucht man vergebens, um z.B. offene Warenkörbe einzusehen, zu modifizieren und für den Kunden abzuschliessen.
  • Offerten
    • Erfüllt: Via dem Draft Order Konstrukt ist es möglich, den B2B-spezifischen Offer-Order-Prozess abzubilden - d.h.: Angebotsverwaltung mit Draft Orders in der Order History im Tab “Ausstehend”, welche beim Abschluss zu einer normalen Bestellung wird.
    • Einschränkungen: Eine Orientierung an diesem einfachen Prozessfluss ist vorausgesetzt, ein Workflow für ein ständiges Hin- und Herschieben von Angeboten bis zur finalen Version für den Abschluss ist nicht implementiert.
  • Warenkorb & Checkout
    • Erfüllt: Mini-Warenkorb für die Schnellübersicht ist auf jeder Seite verfügbar und wird beim Hinzufügen von Produkten aktualisiert.
    • Erfüllt: Übersichtliche Warenkorb-Darstellung von Produkten inkl. Nettopreisen und Berechnung von Rabatten und Zusatzkosten, Bemerkungsfeldern, Promotionen/Gutscheinen, Lieferkosten, separaten Liefer- und Rechnungsadressen und verschiedenen Bezahlmethoden werden angeboten.
    • Einschränkung: Standardmässige Anzeige von Totalgewicht, Kreditlimiten auf Kundenebene, Umgang von Konstellationen für die Verhinderung eines Kaufs (und Anbieten einer Offerten-Anfrage) fehlen aktuell noch.

Zwischenfazit funktionale Anforderungen

Wenn es um diese reinen funktionalen B2B-Schlüsselkriterien geht, schneidet Shopify Plus aktuell noch immer schwächer ab, als wir das von vielen altbekannten B2B-Shops kennen und welche jeweils mit etwas mehr oder weniger Implementierungsaufwand für die Kunden customized / weiterentwickelt wurden. Die Ankündigungen sowie die allgemeinen Entwicklungsanstrengungen von Shopify hinsichtlich B2B eCommerce versprechen, diese Lücken in den nächsten 1-2 Jahren weiter zu schliessen.

2 - Produkt-FIT nicht-funktionale Anforderungen

Die Gründe, weshalb unsere Kunden mit ihren alten B2B-Shops in einer Sackgasse stehen und diese ablösen wollen, sind jedoch nicht in der funktionalen Ebene, sondern in folgenden nicht-funktionalen Gründen zu finden: 

Das System

  • ist beim Hersteller (technologisch) end-of-life.
  • entspricht nicht der Cloud-Strategie.
  • ist im Frontend für den Kunden hinsichtlich Look & Feel sowie Mobilfähigkeit veraltet.
  • bietet keine Flexibilität in den Backend-Prozessen für die Arbeit der internen Mitarbeitenden, da die Prozesse sehr starr ins ERP integriert sind.
  • ermöglicht keine zufriedenstellenden Marketing-Funktionalitäten hinsichtlich Lead-Generierung, Engagement, Content etc. - aber auch hinsichtlich der Automatisierung von z.B. Kampagnen.
  • bietet zu wenige Sales-Funktionalitäten, welche für die Führung des immer wichtiger werdenden Kanals notwendig sind (Reporting, Workflows, Predictions).
  • bietet keine gewinnbringenden Unterstützungen durch AI / KI (Künstliche Intelligenz), z.B. in der Generierung von Produktdaten, Sicherstellung der Datenqualität etc.
  • bietet keine Unterstützung für den Umgang mit weiteren Omnichannel-Touchpoints “vor Ort” sowie Marktplätzen.

Zwischenfazit über den Produkt-FIT (funktional und nicht-funktional): 

Beim Hinzuziehen dieser Marketing- und Sales-Anforderungen sowie Ansprüchen an die grundsätzliche Flexibilität hinsichtlich Daten, Prozessen und Technologie steht Shopify Plus für B2B eCommerce plötzlich viel besser da als nach der initialen Bewertung der funktionalen Anforderungen.

Falls der B2B-Shop aktuell oder in den nächsten Jahren mehr bedeuten soll als eine bequeme digitale Bestellmöglichkeit für Bestandskunden, dann empfehlen wir, diese Anforderungen bei der Beurteilung der Zukunftsfähigkeit der neuen Lösung sehr hoch zu gewichten!

3 - Hersteller-FIT (nur kurz)

Wir gehen davon aus, dass sich die Implementierungspartner-Landschaft rund um Shopify zusätzlich stärker entwickeln wird. Nicht nur kleinere Agenturen, sondern auch grössere Partner, welche die hochkomplexen Integrationen im B2B-Kontext gewohnt sind, werden auf den Shopify-Zug aufspringen.

4 - Kosten-FIT (nur kurz)

Kostenseitig ist man mit Shopify Plus im Vergleich mit bestehenden Enterprise B2B eCommerce Lösungen am Mark sehr gut aufgestellt. Dies gilt sowohl für Lizenzkosten (wichtig: unbedingt die verschiedenen Varianten der Payment-Provider-Kosten berücksichtigen) als auch für die durchschnittlichen initialen Projektkosten und Kosten für die Weiterentwicklung.

5 - Kunden-FIT (als unser Gesamtfazit)

Im Gesamtfazit kann gesagt werden, dass Shopify Plus sich bereits an einem vielversprechenden Ort befindet und die “Downsides” mit der Zeit immer weniger werden.
Unter detaillierter Berücksichtigung der relevanten Umsystemen in der gesamten Applikationslandschaft gibt es bereits Szenarien, bei welchen wir Shopify Plus durchaus für komplexe B2B-Shops empfehlen können.

Als Zielgruppe des Shopify-Gesamtpaketes für B2B eCommerce sehen wir zum aktuellen Zeitpunkt KMU’s (in der Deutschland-Betrachtung = in der Schweiz bereits grössere Unternehmen), welche bereit sind ihre eCommerce-Prozesse ein wenig der Software anzupassen.

Wir wünschen weiterhin happy eCommerce!

... und wenn Sie auch gerade vor einer eCommerce Evaluation stehen oder sich fragen, ob Shopify auf Ihre Anforderungen passt, dann gerne einfach melden!

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Pascal Nüesch

Chief Technology Officer & Partner

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